Aus dem Alltag eines Bestatters – Karl-Hermann Pingel im Interview

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Das Interview aus der Hospizzeitschrift des Lingener Hospiz e.V. (Herbst 2019)

Karl-Hermann Pingel (Bestattermeister, Funeral Service MBA und Thanatopraktiker) führt in vierter Generation das Bestattungshaus Pingel in Lingen.

Er hat sich die Zeit genommen um uns ein paar Fragen zu beantworten.

Hospiz: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Pingel: Jeder Tag ist anders! 70-80% besteht aus administrativen Aufgaben wozu beispielsweise die Beratung und Begleitung der Angehörigen sowie Bürotätigkeiten gehören. Der zweite Bereich umfasst das Vorbereiten der Verstorbenen für die Verabschiedung am offenen oder geschlossen Sarg sowie die Dekoration und Begleitung der Beerdigung. Eine Bestattung ist ein ganz individuelles Ereignis, ähnlich wie eine Hochzeit. Einladungen, Zeitungsanzeige, Musik – all das gilt es zu organisieren. Eine Trauung allerdings kann man innerhalb eines Jahres vorbereiten – eine Beerdigung hingegen muss binnen ein paar Tagen ausgerichtet werden. Wir unterstützen die Hinterbliebenen in dieser schwierigen Situation und begleiten sie in ihrem Trauerprozess – rund um die Uhr, sieben Tage die Woche.

Hospiz: Wie wird man in diesem Beruf wahrgenommen?

Pingel: Früher spielte Scham und Ablehnung gegenüber dem Thema Tod eine viel größere Rolle als heute. Es war ein Tabu-Thema, worüber man nicht gern oder sogar gar nicht sprach. Mittlerweile stelle ich fest, dass der Beruf des Bestatters in der Öffentlichkeit als sehr wichtig wahrgenommen wird. Man begegnet mir mit Offenheit und Respekt. „Ich könnte das nicht, aber gut, dass es Leute wie Dich gibt, die diesen Beruf ausüben“ – einen Satz, den ich sehr häufig höre.

Hospiz: Diese Aussage ist auch uns nicht fremd. Welche Voraussetzungen braucht man, um Ihren Beruf ausüben zu dürfen?

Pingel: Aktuell leider gar keine. Prinzipiell kann jeder ein Bestattungshaus eröffnen, ohne irgendwelche Qualifikationen vorweisen zu müssen. Seit 2003 gibt es die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft und die Bestatterverbände kämpfen zur Zeit für eine Meisterpflicht. Unser Unternehmen ist ein Ausbildungsbetrieb indem bereits vier junge Menschen ihre Ausbildung erfolgreich beendeten. Eine von ihnen sogar mit dem besten Abschluss in ganz Deutschland. Aber ähnlich wie bei anderen Handwerksbetrieben gibt es auch in unserer Branche Nachwuchssorgen. Vielen ist nicht bewusst, wie vielfältig dieser Beruf ist. Man arbeitet mit Menschen, hat administrative Aufgaben im Büro, ist draußen auf dem Friedhof und beschäftigt sich mit unterschiedlichen Rohstoffen wie Blumen und Holz. Und ich kann aus voller Überzeugung sagen: Dieser Beruf ist einfach schön.

Hospiz: Was war Ihr beruflich emotionalster Moment?

Pingel: Ich erinnere mich da an einen Moment in der Ausbildung. Bei einem Autounfall sind die Eltern zweier Kinder verstorben. Bei der Beerdigung standen diese beiden Kinder am Grab und riefen hinein „Mama!Papa! Wann kommt ihr denn endlich wieder?“. Ich könnte ihnen heute noch sagen, wo genau ich gestanden habe, wie das Wetter war, welche Rahmenbedingungen es gab. Für solche Momente gibt es keine Worte und man kann sie auch nicht schön reden. Das gehört zum Beruf des Bestatter dazu, trotzdem möchte man diese so weit wie möglich wegschieben, weil es einem selbst auch mitnimmt.

Hospiz: Das zeigt dennoch auch, dass Sie für solche Situationen empfänglich und nicht abgestumpft sind.

Pingel: Sonst könnte ich meine Hilfe und Unterstützung nicht mehr anbieten. Wir müssen mitfühlen aber sollten nicht mittrauern – Ein Leitsatz den ihnen sicher aus der Hospizarbeit auch bekannt ist.

Hospiz: Haben Sie Ihre eigene Beerdigung schon geplant?

Pingel: Noch nicht fest, aber die Rahmenbedingungen sind natürlich schon klar: Ich möchte Feuerbestattet werden und in unserem Familiengrab bestattet werden. Alles andere kann und darf auch von den Hinterbliebenen entschieden werden. Bestattungsvorsorge ist ein sehr wichtiges Thema um sich bewusst zu werden, was und wie man es gern haben möchte. Meine Beerdigung soll ja auch meinen Wünschen entsprechen. Es muss allerdings auch Lücken geben, sodass die Familie selbstständig an der Organisation teilhaben kann. Denn die Gestaltung der Trauerkarten, der Zeitungsanzeigen, der Trauerfeier usw. ist ein großer Teil der Trauerarbeit.

Hospiz: Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

Pingel: Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf einmal alles zu Ende sein soll. In welcher Form auch immer.

Hospiz: Herr Pingel, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Offenheit.

Eine Idee zu “Aus dem Alltag eines Bestatters – Karl-Hermann Pingel im Interview

  1. Avatar
    Olli sagt:

    Ein Interview aus dem Alltag eines Bestatters hört man auch nicht jeden Tag. Ich finde das aber sehr interessant. Das Interview hat man den Horizont in Bezug auf Bestattungen erweitert. Es steckt viel Arbeit dahinter eine Bestattung zu organisieren.

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